Berlin, 17. Oktober 2023. Unter dem Motto „Forschen für den Fortschritt. Mehrwert für die Menschen.“ hatte die Deutsche Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse e.V. (Zuse-Gemeinschaft) zu ihrem traditionellen „Zuse-Abend“ in die Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin e.V. (VLB), ein Mitglied der Zuse-Gemeinschaft, eingeladen. Im Zentrum des Abends standen ein Impulsvortrag des renommierten Ökonomen, Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und Professors für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Marcel Fratzscher, und eine Podiumsdiskussion dazu mit Zuse-Präsident Prof. Martin Bastian und der Unternehmerin Dr. Cornelia Röger-Göpfert. Eine Ausstellung von dreizehn Instituten der Zuse-Gemeinschaft zu innovativen Produkten und Lösungen für den Mittelstand rundete den Abend ab.

Fratzscher benannte in seiner Keynote zunächst Herausforderungen für Deutschlands Wirtschaft und Zivilgesellschaft: der Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen, gestörte Lieferketten, die weltwirtschaftliche Lage, die Schuldenkrise im globalen Süden, die Corona-Pandemie, unzureichende Infrastruktur, Fachkräftemangel, zu hohen Steuern sowie unflexible, überbordende Bürokratie und ein von „Besitzstandswahrung“ geprägtes Denken. Allerdings verfüge das Land über starke Institutionen und Grundwerte wie den Rechts- und Sozialstaat, eine starke Zivilgesellschaft mit ihrem solidarischen Ansatz, die Wertschätzung von Wissenschaft sowie die mittelständische Struktur der Wirtschaft. In dieser Situation, so der Ökonom, brauche es ein deutlich höheres Tempo bei den Transformationsprozessen und mehr Risikofreude: Land und Gesellschaft müssten schneller und pragmatischer werden; ein zu hoher Grad an Selbstzufriedenheit lähme dynamische Innovationsprozesse. Auch sei der Begriff des „Risikos“ im Land zu negativ behaftet, die ihm ebenfalls innewohnenden Chancen würden kaum mehr gesehen.

 

Zuse Abend 01 Vortrag Prof Fratzscher bearbeitet

Gebannt lauschen die Gäste des Zuse-Abends dem renommierten Ökonomen
Prof. Marcel Fratzscher bei seiner Keynote.
Foto: Zuse-Gemeinschaft / Thomas

 

In der anschließenden Podiumsdiskussion beleuchtete Röger-Göpfert zunächst die Lage in der mittelständischen Wirtschaft. Ihrer Forderung nach einem Industriestrompreis wollte sich Fratzscher nicht anschließen: Der Staat könne nicht alle unternehmerischen Risiken abfedern oder gar übernehmen, sondern nur Rahmenbedingungen setzen. Ein Industriestrompreis sei eine Subvention fossiler Energieträger und damit Hemmnis für notwendige Veränderungen in der Wirtschaft hin zu neuen, innovativen Betätigungsfeldern. Hier hakte Zuse-Präsident Bastian ein und nahm die Politik in die Pflicht, Innovationsprozesse durch passende Rahmenbedingungen zu fördern und voranzubringen. Derzeit geschehe aber das Gegenteil, da die Haushaltsmittel für das Innovationssystem sogar rückläufig seien. Bastian forderte signifikante Investitionen in die Industrieforschung, die Lösungen für die anstehenden Transformationsprozesse liefern könne, und sprach sich ausdrücklich dafür aus, auch die Verteilung der Mittel zwischen Grundlagen-, anwendungsorientierter und Industrieforschung auf den Prüfstand zu stellen. Röger-Göpfert lenkte den Blick auf die Qualität und Nachhaltigkeit von Produkten der mittelständischen Wirtschaft und den Umbau in Richtung Kreislaufwirtschaft. Hier seien Betriebe auf die Industrieforschungseinrichtungen der Zuse-Gemeinschaft als F&E-Partner dringend angewiesen, ebenso bei der Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in marktfähige Produkte, Dienstleistungen und Lösungen. Fratzscher ergänzte, diese Prozesse scheiterten in Deutschland immer wieder auch an fehlendem Risikokapital und regulatorischen Hemmnissen. Hier müsse der Staat ins Risiko gehen, für F&E Kapital zur Verfügung stellen, die Entscheidung über seine Verwendung aber der Wirtschaft überlassen, die in Zusammenarbeit mit den Industrieforschungseinrichtungen zukunftsfähige Themen identifizieren könne. Es brauche „ein neues Mindset“, eine „neue Dynamik“, angelehnt an agile Prozesse und die Herangehensweise in den USA. Beim Publikum traf dieses deutliche Plädoyer auf große Zustimmung.

 

Zuse Abend 02 Podiumsdiskussion bearbeitet

Prof. Marcel Fratzscher, Dr. Cornelia Röger-Göpfert, Prof. Martin Bastian und
Moderator Dr. Klaus
Jansen diskutierten beim Zuse-Abend über Möglichkeiten
zur Steigerung des Innovationsgeschehens in
Deutschland und sprachen sich
für mehr Risikofreude aus.
Foto: Zuse-Gemeinschaft / Thomas

 

In der Ausstellung der Institute der Zuse-Gemeinschaft bekamen die geladenen Gäste aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien an abwechslungsreichen Beispielen gezeigt, wie Industrieforschung Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung in marktfähige Produkte, Dienstleistungen und Lösungen für die (mittelständische) Wirtschaft umzusetzen vermag. Zu sehen waren unter anderem Materialien zur Wandlung von grünem Wasserstoff (PtX) und dessen Rückverstromung (Fuel Cell), materialeinsparende Betonwaren für den Straßenbau, Methoden zur Rückgewinnung verbrauchter Bauteile, innovative Techniken zum Nachweis von Antibiotikaresistenzen, Schutzkleidung für Einsatzkräfte bei Polizei und Feuerwehr sowie Textilien für Erosionsschutz bei Starkregen.

Die Pressemeldung finden Sie hier zum Download bereitgestellt.